Flüchtlingsschutz in Deutschland Maxime der Deutschen Asylpolitik: Zugänge zum Asylrecht beschränken, Verfahrensrechte einschränken

RESPOND Policy Brief [2021/14]

Author: Prof.Dr. Sabine Hess - Göttingen University

ZUSAMMENFASSUNG

Der Forschungsbericht »Refugee Protection in Germany« des Horizon 2020 Forschungsprojekts RESPOND untersucht die asylrechtlichen Regelungen in Deutschland seit 2011 hinsichtlich ihres Schutzcharakters für Geflüchtete. Die Untersuchung nimmt auf der Basis von insgesamt 90 Interviews und einer eingehenden Dokumentenanalyse nicht nur die Gesetzesänderungen in den Blick, sondern auch ihre Implementierung sowie die Perspektive und Erfahrungen von Geflüchteten selbst. Angesichts des föderalen deutschen Systems berücksichtigt die Analyse sowohl die Bundesebene, als auch die Ebene der Bundesländer bis hinunter zur kommunalen Ebene und weist auf starke Unterschiede in der Umsetzung und der Anwendung asylrechtlicher Regelungen hin.

Die Asylgesetzgebung ist nach wie vor das wichtigste gesetzlich verankerte Instrument, um Menschen vor Verfolgung zu schützen, wie es das deutsche Grundgesetz, die Genfer Flüchtlingskonvention sowie die EU-Qualifikationsrichtlinie vorsehen. Im Zeitraum unserer Untersuchung 2011-2018 konnten wir jedoch verschiedene gesetzliche Maßnahmen vorfinden, die zu einem »differenziellen Ausschluss« einer zunehmenden Zahl von Flüchtenden aus diesem Schutzregime führen. Historisch gesehen wurde das Recht auf Asyl in das deutsche Grundgesetz nach den Erfahrungen mit der massenhaften Verfolgung und Vertreibung während der Nazizeit aufgenommen und stellt seitdem ein zentrales Merkmal des deutschen Rechtsverständnisses dar. Seit Ende der 1980er Jahre wurde dieses Recht jedoch nach und nach beschnitten – nicht durch die komplette Streichung des Asylrechts aus dem Grundgesetz, wie unsere Forschung auch demonstriert, sondern durch immer höhere Hürden und Sonderbedingungen. In Folge dessen haben immer weniger flüchtende Menschen Zugang und Anspruch auf den vollen Umfang des asylrechtlichen Schutzes.

Unsere Forschung zeigt vor allem, wie die gesellschaftliche und staatlich dominante Wahrnehmung der Entwicklungen 2015/2016, als ca. 800.000 Geflüchtete in Deutschland registriert wurden, als »Flüchtlingskrise«, »nationaler Notstand« oder »staatlicher Kontrollverlust« es ermöglichte, dass trotz einer breiten zivilgesellschaftlichen »Willkommenskultur«-Bewegung zahlreiche Gesetzespakete verabschiedet wurden, die den Zugang zum Asylsystem entscheidend einschränkten und die Verfahrensrechte beschnitten. Wie die Untersuchung deutlich macht, wurde der Schwerpunkt der staatlichen Reaktionen sehr schnell – auch durch eine Reihe eher symbolischer politischer Initiativen – auf die Beschleunigung der Asylverfahren und die Erhöhung der Abschiebungen gelegt. Dabei wurden im internationalen, europäischen sowie im nationalen Recht verankerte Rechts- und Rechtsstaatlichkeitsstandards wie etwa das »Recht auf ein faires Verfahren« als Hindernisse gesehen, die so weit wie möglich abgebaut werden sollten.

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